Deniz' Utopıe
Wie konnten sie nicht weinen? Deniz’ dunkle Augen, lockiges,
rabenschwarzes Haar, sein großer, hoher und symmetrischer Wuchs, mit einer
aufrechten Haltung, seine beherzte, ergreifende Art zu sprechen, sein
entschlossener Marsch in die Freiheit und sein zähes und lebhaftes Wesen
flößte ihnen Angst ein. Sie versammelten sich mit dem Vorsatz ihn im Keim zu
ersticken, ein Beschluss wurde gefasst, Befehle wurden erteilt, und sie
fielen mit einem riesigen Heer über ihn her, sie fielen über ihn her wie eine
schwarze Wolke, die sich über die helle Frühlingssonne schiebt. Sie
verhafteten ihn, aber sie konnten ihn trotzdem nicht fassen, die Kerker der
Despotie waren zu eng für ihn. Er gab nie auf, er war stolz, ehrenhaft und
bis zum Äußersten entschlossen. Doch dieses Mal erhängten sie ihn
heimtückisch, gnadenlos und brutal. Absichtlich folterten sie ihn davor noch.
Zu dem Anlass versammelte man sich im Herrenhaus, stieß mit den Gläsern an
und rief: „Oh! Wir sind erlöst, er ist tot!”.
***
Sein Rechtsanwalt Halit Çelenk sagte unter Tränen: »Deniz war
noch so jung, gerade eben fünfundzwanzig. Ja, ein schmaler junger Mann, fast
noch ein Junge. Sie haben ihn ohne Erbarmen erhängt. Nach dem Gesetz hätte er
die Todesstrafe nicht verdient. Das Gesetz sah für seine Straftaten höchstens
eine Freiheitsstrafe von fünfzehn oder zwanzig Jahren vor. Es ist Deniz ein
großes Unrecht angetan worden!« Rechtsanwalt Çelenk konnte drei Monate lang
nach den Hinrichtungen nicht schlafen. Er war sehr traurig, so sehr, dass die
Trauer gar kein Begriff war, um seine Verfassung auszudrücken.
„Utopie ist die Wirklichkeit von morgen.” (Henry Dunant)
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